Dienstag, Mai 22, 2007

An mein trautes Heimchen

Seit sechs Jahren wohne ich nun schon hier, in meiner kleinen stillen Wohnung. Sechs Jahre, in denen viel passiert ist, Menschen in mein Leben traten und auch verweilten, manche wieder gingen… und noch immer schaue ich aus dem Fenster und fühle mich, als sei ich grade eingezogen…sechs Jahre, das ist doch einiges an Zeit, oder etwa nicht? Ich frage mich, wie lange man wohl irgendwo wohnen muss, um zu fühlen, hier in meinem Kiez kenne ich jede Ecke und jedes Gesicht… gestern Abend z.B. hatte ich überhaupt nichts mehr zu essen da, aber ziemlichen Hunger, da ich den ganzen Tag eh mal wieder nur Stulle gegessen hatte und Bock, jetzt nen Aufstand zu machen hatte ich auch nicht… da bin ich also noch bei dem Imbiss auf der Ecke rein, und hab mir da ne Boulette mit sage und schreibe selbst gemachten Kartoffelsalat geholt… da fragt mich doch der Typ, ja hey, dich hab ick hier ja noch jar nich jesehen, biste neu dazu jezogen, ich so nee, ick wohn hier schon sechs Jahre, er daraufhin baff, kiek an, sagt er, ick hab den Laden hier schon seit 20 Jahren und du bist ooch schon sechse hier, na sowat, jesehen hab ick dich aber noch nich hier…wollt damit eigentlich nur sagen, dass ich den Laden also noch nich kannte, obwohl er 3 Schritte um die Ecke is und auch noch nich wusste, dass man da so lecker Bouletten kriegt mit Kartoffelsalat, der besser is als Muttis und dit für zwee fuffzich…na jedenfalls, wie lange dauert das denn jetzt bis man so richtig alteingesessen ist? 20, 30 Jahre oder ein Leben lang? Dabei fühle ich mich doch manchmal schon fast ein bisschen komisch, wenn ich denke, dass seit dem Erstbezug nach der Sanierung vor sechs Jahren schon fast alle Nachbarwohnungen ihre Mieter gewechselt haben und ich die einzige bin, die hier noch verweilt. Wie sone alte Oma, von der die Neuzugezogenen sagen, die wohnt hier schon immer…
Sind denn in der Zeit, in der wir leben, in der Mobilität über alles geht, sechs Jahre in derselben Wohnung schon eine kleine Ewigkeit? Wenn ich bedenke, dass einige meiner Freunde in der Zeit drei mal die Bleibe gewechselt haben…Wie schnell sie vergangen sind, die Jahre. Man fliegt in der Weltgeschichte herum und kennt sich hier und da aus und dann läuft man nach sechs Jahren die Straße runter und hat so viel zu entdecken, als sei man gerade erst angekommen…Zwischen Barcelona, Rom und Frankreich, als hätte man einfach nicht genug Zeit Mensch zu sein, Wurzeln zu schlagen an einem Ort zu verwachsen… Und als ob sechs Jahre nichts wären, vergangen wie im Flug, kommt man dann nach Hause, in diese Wohnung, in der sich der Trödel des ganzen bisherigen Lebens angesammelt hat und sagt sich, ja hier möchte ich verweilen, hier möchte ich bleiben und mich ausruhen…als sei man nicht schon lange da. Als käme man nicht schon seit Jahren immer wieder h i e r zu sich, zu sich nach Hause.

Mittwoch, Mai 02, 2007

1. Mai in Berlin

Gestern war der 1. Mai. Und wie das am 1. Mai in Berlin immer so is, is man dann zwei Tage lang unterwegs… in der Walpurgisnacht muss man in den Mai tanzen und wird am Abend ganz nervös vor lauter Entscheidungsunfähigkeit ob der unüberblickbaren Zahl an Maifeuern und Tanzereifeierlichkeiten…und landet in der Früh in nem völlig irren Schuppen am Fluss, der immer noch so voll ist, als gäbs kein morgen, tanzen ist da nich, obwohl alle total heiß sind auf Maitanzen in der Bretterhütte geht gar nich, Körper an Körper wird man mit seinem Bierchen nur hin und her geschoben, und nach dem ganzen Geschunkel geht die Sonne auf… und dann nach dem Aufstehen am späten Nachmittag geht’s am Tag der Arbeit gleich wieder auf die Piste, ganz Berlin feiert, in den Parks braucht man Nebelleuchten vor lauter Grillerei, es scheint das jedes türkische Familienmitglied seinen eigenen Grill mitgebracht hat, die Straßen in Kreuzberg sind so voll, dass man sich ernsthaft fragt, wo diese ganzen Leute eigentlich herkommen, auf dem Myfest sieht man nichts, nur tausende von Leuten, aber der Kiez ist eingezingelt, man muss sich nur in die Nebenstraßen begeben, die gesäumt sind von grün-weißen Polizeiwannen, die nur abwarten, man fragt sich mal wieder, was das hier heut noch werden soll, dann kommt die Demo an und ein Alternativer grölt ins Mikro und ohne Quatsch hatte sich doch der so genannte schwarze Block gestern sogar als echter Block formiert und mit ner schwarzen Banderole umwickelt (wie praktisch für die Bullen, müssen se sich nich all einzeln rauspicken…)..disimulieren wollten die wohl nicht mehr, ham sich gleich als zugehörig präsentiert… und man macht sich besser vom Kotti-acker, denn aus dem krawallgeilen Alter ist man ja raus und Bock auf Stress hat man eh nich…

Man hat eigentlich vor heime zu radeln, aber alle Läden an denen man so vorbeikommt gestopft Leute, überall schallen einem zum Hüftschwung auffordernde rhythmische Klänge entgegen, alles zappelt oder sitzt Biertrinkenderweise auf der Straße rum…und man fragt sich, ob die denn alle morgen nicht arbeiten müssen nach sonem langen Wochenende…
Na ja eigentlich wollte man eh nur noch ein Abschlussbierchen nehmen und denkt sich so am Wasser im Freien mit den Jungs…und kommt im Club der Visionäre an… und dann… verdammt! Der Sound ist zu gut, alle am Hampeln, keiner seht stille…aus einem Bier werden zwei und dann drei… man schaut in den Vollmond, der sich im Kanal spiegelt, der Besoffene neben einem fällt fast vom Floß, das vom Wippen schon schaukelt direkt ins Wasser, die Weiden wiegen sich im Abendlüftchen, als wärnse ganz für sich und kriegten von den ganzen party people unter sich überhaupt nichts mit… und man kommt sich mal wieder mitten in Berlin vor, wie im Urlaub…Vollmondrave am Wasser unter Bäumen… und der Sound wird natürlich genau dann, wenn man denkt, verdammt morgen früh muss ich raus und ein paar Leuten ein paar kluge Dinge erzählen, noch besser, man verabschiedet sich und bleibt dann doch noch da rumstehen, holt sich doch noch nen Drink und kann eben nicht aufhören na ja so weiter und so fort. Und ein paar Mal dacht ich gestern wieder, Berlin ick müsst dir mal wieder ne Liebeserklärung machen…